GAU

GAU

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Gau [gau̮], der; -[e]s, -e (Geschichte):
in sich geschlossene Landschaft, großer landschaftlicher Bezirk:
der König belehnte den Grafen mit dem Gau Drente.
Syn.: Areal, Gebiet, Revier, Territorium, Zone.

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Gau1 〈m. 1
1. 〈urspr.〉 wald- u. wasserreiches Gebiet
2. 〈später〉 Siedlungsgebiet der Untergruppe eines germanischen Stammes (Breis\Gau, Rhein\Gau)
3. 〈19., 20. Jh.〉 landschaftl. zusammengefasste Gruppe eines Verbandes, einer Partei (1933-45: Reichs\Gau)
4. 〈allg.〉 Bezirk, Landschaft, zusammengehöriges Gebiet; Sy 〈süddt., schweiz.〉 Gäu
[<mhd. gou, göu, geu <ahd. gewi, Gen. gouwes <germ. *gawaja „Umgebung eines Gewässers“; zu *a(g)wjo „Aue, Wasserland“; → Aue]
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Gau2 〈m. 6〉 = GAU

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Gau, der (landsch.: das); -[e]s, -e [mhd. gou, göu = Land(schaft), Gegend; wahrsch. eigtl. = Land am Wasser, Kollektivbildung zu Aue]:
1. (bes. Geschichte) in sich geschlossene Landschaft, großer landschaftlicher Bezirk:
die Untergruppen germanischer Stämme siedelten in -en.
2. (nationalsoz.) (im nationalsozialistischen Deutschland) regionale Organisationseinheit der NSDAP unterhalb der Reichs- und oberhalb der Kreisebene.

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GAU
 
[Abkürzung für größter anzunehmender Unfall] der, -(s), Kerntechnik: in der Reaktorsicherheit nicht mehr verwendeter Begriff; bezeichnet den als den schwersten erfahrungsgemäß anzunehmenden oder glaubhaften Störfall (amerikanisch maximum credible accident, Abkürzung MCA) in einer kerntechnischen Anlage, besonders in einem Kernreaktor oder Kernkraftwerk, der als Auslegungsstörfall den sicherheitstechnischen Überlegungen zugrundegelegt wird. Als GAU eines wassergekühlten Reaktors wurde der Kühlmittelverlust aus dem Primärkreislauf infolge eines doppelendigen Bruchs einer Hauptkühlmittelleitung betrachtet, als GAU eines natriumgekühlten schnellen Brüters der Bethe-Tait-Störfall. Dieses aus den USA stammende GAU- oder MCA-Konzept war wegen seiner einseitigen Orientierung an einem »spektakulären« Störfall stark umstritten und wurde zu Beginn der 70er-Jahre durch das Konzept der Auslegungsstörfälle abgelöst. In der öffentlichen Diskussion um die Sicherheit von Kernkraftwerken wird v. a. von den Medien der Begriff GAU, häufig emotional verstärkt als »Super-GAU«, auf alle schweren, überhaupt denkbaren oder hypothetischen Störfälle und ohne Beachtung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit angewandt, so auch auf die Reaktorunfälle in den Kernkraftwerken Three Mile Island 2 (28. 3. 1979) und Tschernobyl (26. 4. 1986), bei denen Sicherheitsdefizite und gravierende Fehlhandlungen des Betriebspersonals eine ausschlaggebende Rolle spielten. Wie entscheidend hierbei das jeweilige Sicherheitskonzept ist, zeigt der unterschiedliche Ablauf dieser schweren Störfälle.
 
In Three Mile Island wurde ein Kühlmittelverluststörfall ausgelöst, als die Hauptspeisewasserversorgung ausfiel, ein Ventil am Primärkreislauf automatisch öffnete, aber nicht mehr schloss, und dies vom Betriebspersonal nicht erkannt wurde. Große Mengen Kühlmittel gelangten dadurch in das Containment. Im weiteren Verlauf dieses Störfalls kam es durch Kühlmittelverlust und Fehlhandlungen der Operateure (u. a. Abschalten der automatisch gestarteten Hochdruck-Notkühlpumpen) zu einer Austrocknung und Überhitzung des oberen Reaktorkerns, wobei Wasserstoff entstand, der Kern teilweise schmolz (Kernschmelzunfall) und große Mengen von gasförmigen und flüchtigen Spaltprodukten in das Containment freigesetzt wurden. 16 Stunden nach Eintritt des Störfalls konnte eine ausreichende Kühlung des Reaktorkerns wiederhergestellt werden, ohne dass der Reaktordruckbehälter zerstört oder beschädigt wurde. Außerdem funktionierte hier der druckfeste Sicherheitsbehälter als letzte Barriere, und die Abgabe an radioaktiven Spaltprodukten an die Umgebung blieb insgesamt gering (Aktivität des neben anderen Radionukliden freigesetzten Jod 131 etwa 15 Curie; maximale Strahlenbelastung in der näheren Umgebung durch freigesetzte Edelgase etwa 1 mSv).
 
Ein nicht beherrschter Störfall war der katastrophale Reaktorunfall im Kernkraftwerk Tschernobyl, Block 4, in dessen ohne druckfeste Sicherheitshülle gebautem, graphitmoderiertem und leichtwassergekühltem Reaktor es bei einem Abfahrversuch durch einen unkontrollierten Reaktivitätsanstieg zu einer nuklearen Leistungsexkursion kam. Durch den damit verbundenen Temperatur- und Druckanstieg wurden die Brennelemente, die in den Graphit eingebetteten Zirkondruckröhren und schließlich der gesamte Reaktorkern sowie das Reaktorgebäude zerstört. Der in Brand geratene Graphit und das zerstörte Gebäude machten eine Notkühlung unmöglich, sodass durch die Hitzewirkung sehr große Mengen radioaktiver Spaltprodukte freigesetzt, durch Kaminwirkung in große Höhen getragen und über weite Teile Europas verteilt wurden. Der Reaktor wurde zunächst mit rd. 5 000 t Sand, Ton, Dolomit, Kalkstein, Bor und Blei zugeschüttet und später in einen Sarkophag aus Beton, Stahl und Abschirmstoffen eingebettet.

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GAU, der; -s, -s [Abk. für: größter anzunehmender Unfall]: schwerster Störungsfall, der in einem Kernkraftwerk auftreten kann [u. für den beim Bau der Anlage entsprechende Sicherheitsvorkehrungen zu treffen sind]: GAU ist ... der schwerste Störfall in einer kerntechnischen Anlage (Welt, Welt-Report Kraftwirtschaft, 28. 6. 79, o. S.); Mindestens dreimal sind amerikanische Kraftwerksbetreiber knapp am GAU vorbeigeschrammt (Spiegel 19, 1986, 134); Ü Die Partei, deren Funktionsträger gebetsmühlenhaft den unmittelbar bevorstehenden ökologischen GAU beschwören (Spiegel 38, 1985, 31); »Das ist ein medienpolitischer GAU«, urteilt RTL-Chef Helmut Thoma, der seit Jahren das Monopolstreben des Münchner Medienmoguls öffentlich kritisiert (Woche 28. 3. 1997, 19).

Universal-Lexikon. 2012.

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